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Industrielle Kunststoffe: Wichtige Auswahlkriterien
Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff. Sie sind sehr unterschätzte Materialien. Heutzutage werden Kunststoffe in nahezu jeder Branche eingesetzt. Die Komplexität ihrer Zusammensetzung ist im Laufe der Jahre so stark gestiegen, dass Kunststoffe auch in nachfolgenden Bereichen ihren Platz haben: von der pharmazeutischen Produktion über Maschinen bis zur Erzeugung von Kernenergie.
Beginnen Sie Ihre Suche frühzeitig
Wie auch bei anderen Materialien ist es bei dem idealen Kunststoff für ein Maschinenbauprojekt am besten, frühzeitig mit der Suche zu beginnen. Selbst wenn Sie merken, dass sich bestimmte Aspekte und Anforderungen im Laufe Ihres Projekts noch ändern, ist es viel einfacher, die Anforderungen während des Entwurfsprozesses anzupassen, als bei Null anzufangen, wenn Ihr Projekt schon weit fortgeschritten ist. Die frühzeitige Einbindung eines Kunststoffexperten trägt ebenfalls dazu bei, Entwicklungszeit zu verkürzen und mögliche Probleme vorzubeugen. Die Möglichkeiten hierzu sind in der Entwicklungsphase viel größer als später im Serienbetrieb.
Das richtige Material auswählen
Nehmen Sie sich bei der Auswahl des idealen Kunststoffs Zeit, um die Anforderungen, die er erfüllen, und die besonderen Eigenschaften, die er haben muss, festzulegen. Dabei kann es sich beispielsweise um Temperatur, Druck, elektrische Isolierung, elektrische Leitfähigkeit und chemische Resistenz handeln. Wenn diese Eigenschaften festgelegt sind, kann unser Kunststoffexperte die Auswahl eingrenzen. In den folgenden Abschnitten werden wir einige dieser Eigenschaften zur erfolgreichen Wahl eines Materials betrachten. Bei der Auswahl eines Kunststoffs für Ihr Projekt sind 6 wichtige Faktoren zu berücksichtigen: Temperatur, Druck, Isolierung, Medium (Beständigkeiten), Oberflächenqualität und Gleiteigenschaften.
Temperatur
Die Temperatur spielt eine zentrale Rolle bei der Entscheidung, welche Kunststoffe für bestimmte Anwendungen am besten geeignet sind. Die Anwendungs- oder Umgebungstemperatur hat starke Auswirkungen auf die physikalischen Eigenschaften des Kunststoffs und auch auf seine Formstabilität. Sobald die Temperaturanforderungen über 100 ºC steigen, gibt es weniger Optionen, und bei über 250 ºC sinkt die Auswahl drastisch auf nur noch wenige Typen. In Bereichen unter 0 °C ist zu beachten, dass nicht jeder Kunststoff die notwendige Leistung erbringen kann.
Druck
Beim Kaltfluss können sich die thermoplastischen Kunststoffe, je nach Typ, mit der Zeit unter Druck verformen Der Druck beeinflusst die Kunststoffbauteile in Ihrer Maschine. Da einige Thermoplaste spröde und hart sind, sollten hier idealerweise zähelastische oder schlagzähe Kunststoffe, wie beispielsweise Polyamid, verwendet werden. Sollten die Werte eines thermoplastischen Kunststoffs nicht ausreichen gilt es zu bedenken einen Duroplast zu wählen. Ein solcher Kunststoff (Harz) ist chemisch vernetzt und armiert, was bedeutet, dass er sich unter Druck nicht verformt.
Isolierung
Es gibt zwei isolierende Eigenschaften. Die erste ist die thermische Isolierung (Wärmedämmung). Die meisten Kunststoffe sind gute Wärmeisolatoren. Die zweite isolierende Eigenschaft ist die elektrische Isolierung. Für diese Kategorie gibt es viele Kunststoffoptionen. Kunststoffe können durch Zugabe von Additiven leitfähig (ELS) oder antistatisch (ESD/AST) eingestellt werden. Hier kann Ihnen ein Experte dabei helfen die richtige Kombination zu finden.
So darf sich in der Elektro- und Elektronikindustrie ein Kunststoff nicht statisch aufladen, wenn er ein elektrischer Isolator ist. Der Strom muss immer abgeleitet werden, was mit einem antistatischen Kunststoff kontrolliert werden kann. Wenn Sie einen elektrisch leitfähigen Kunststoff benötigen, können Sie dies durch antistatische Additive und leitfähige Additive erreichen.
Medium (Beständigkeiten)
Die Wahl des Kunststoffs kann neben den konstruktiven Eigenschaften auch durch das in der Maschine zu verwendende Medium beeinflusst werden. So muss beispielsweise in der chemischen Industrie sichergestellt werden, dass der Kunststoff den richtigen Grad an Resistenz aufweist. Zur Erhöhung der chemischen Resistenz können Additive (Verstärker/Füllstoffe) verwendet oder es kann während der Herstellung mit einem anderen Kunststoff polymerisiert werden.
In Werkzeugmaschinen werden beispielsweise Kühlemulsionen eingesetzt, weshalb sichergestellt werden muss, dass der verwendete Kunststoff diesen stand hält. Gleiches gilt u.a. für Schmieröle, Fette jeglicher Art, Kraftstoffe, Säuren und Laugen. Deshalb ist es wichtig, die Auswirkungen solcher Medien zu berücksichtigen, da der Kunststoff andernfalls Schaden nehmen kann.
Oberflächenqualität
Auch die Oberflächenqualität ist ein wichtiger Aspekt bei der Materialauswahl. Entwickeln Sie zum Beispiel eine Stanzmaschine, eine Schleifmaschine oder eine CNC-Fräsmaschine, müssen Sie ein Fenster einbauen, damit die Maschinenführer das Geschehen im Auge behalten können. Das Fenster kann durch Medien oder umherfliegende Partikel beschädigt werden. Um eine längerfristige Transparenz sicherzustellen, sollten speziell beschichtete Materialien eingesetzt werden.
Gleiteigenschaften
Die Gleiteigenschaften eines Kunststoffs tragen oftmals zur einwandfreien Funktion eines Bauteils bei. Thermoplastische Materialien können schlechte bis hervorragenden Gleiteigenschaften aufweisen. In Abhängigkeit vom Gleitpartner, wie z.B. Stahl, weisen Thermoplaste unterschiedliche Reibungskoeffizienten auf, die schließlich ausschlaggebend das Gleitvermögen und den auftretenden Verschleiß beeinflussen. Je besser ein Kunststoff gleitet, desto weniger verschleißt er.
Jedoch leiden darunter dann andere Eigenschaften wie die Verkleb- oder Lackierbarkeit. Hauptsächlich finden wir gut gleitenden Kunststoffe in einer Maschine dort, wo Verschleiß oder Abrieb entstehen kann. Duroplastische Kunststoffe haben im Gegensatz zu Thermoplasten keinerlei Gleitvermögen. Aufgrund ihrer hohen Härte sind Sie dennoch sehr verschleißfest. Dies muss jedoch immer in Abhängigkeit zur Anwendung betrachtet werden.
Einhaltung der Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit
Im Maschinenbau werden Kunststoffe verwendet, die sowohl EU/FDA-Lebensmittel- als auch Pharmakonformität (USP23 Class VI, NSF 61) erfordern. Viele Hersteller in der Maschinenindustrie produzieren Maschinen oder einzelne Komponenten, die sowohl mit Lebensmitteln als auch mit pharmazeutischen Substanzen in Berührung kommen (z.B. bei der Tabletten-Herstellung).
Daher müssen diese Kunststoffe lebensmittelkonform und bis zum Polymerhersteller rückverfolgbar sein. Hier zeigt sich, dass ein vorheriges Gespräch mit Ihrem Partner sinnvoll ist, damit der Kunststoff für die vorgesehene Anwendung richtig verarbeitet wird. Ebenso haben wir spezielle Produktionslinien, welche weitere Anforderungen, wie z.B. an die Rückverfolgbarkeit, gewährleisten.
Mit Additiven die Möglichkeiten erweitern
Heutzutage werden fast keine reinen Kunststoffe mehr verwendet. Nahezu alle hergestellten Kunststoffe enthalten Additive zur Verbesserung ihrer Eigenschaften. Solche bieten ein enormes Potenzial zur Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten eines Kunststoffs. Somit kann den Anforderungen Ihrer Maschinenentwicklung entsprochen werden. Bei den meisten dieser Zusatzstoffe handelt es sich um chemische Verbindungen und Additive.
Mit den Additiven können nachfolgende Eigenschaften positiv beeinflusst werden:
- UV-Beständigkeit
- Chemische Beständigkeiten
- Thermische Isolation
- Elektrische Leitfähigkeit
- Antistatische Eigenschaften
- Erhöhte Härte/Stärke
- Transparenz
- Absorption von Neutronenstrahlung
Konstruktive Aspekte bei Kunststoffen
Konstruieren mit oder aus Kunststoffen erfordert eine komplett andere Betrachtungsweise als z.B. mit Metallen. Hierbei handelt es sich um andere Toleranzen, abweichende Fertigungsverfahren und ein anderes Verhalten der Bauteile. Zudem ist im Kunststoffbereich weniger standardisiert und vieles muss über Absprache zwischen Hersteller und Abnehmer erfolgen, da wesentliche Aspekte nicht vollumfänglich über Normen abgedeckt sind.
Einhalten von Industrienormen und Regulierungsvorgaben
Ein fachkundiger Partner wird sicherstellen, dass seine Kunststoffe alle einschlägigen Normen erfüllen, und einen Kunststoff so herstellen, dass er die Anforderungen für spezielle Anwendungen erfüllt. Es gibt eine Vielzahl von Industrienormen, die je nach Branche und Land spezifische Produkt- und Leistungsanforderungen festlegen.
Die wichtigsten Normen für die Kunststoffindustrie, die vom britischen Kunststoffverband (BPF) beschrieben werden, enthalten Vorgaben für Zusatzstoffe, Verbundstoffe, physikalische Eigenschaften und mehr. Zu den normsetzenden Körperschaften und den Organisationen, die Einfluss auf die Kunststoffindustrie haben, gehören u.a. die Plastics Industry Association (PLASTICS), der Verband VDMA Kunststoff- und Gummiindustrie und die internationalen Normen von EN/ISO/TC 61/ASTM für Kunststoffe.
Nachhaltigkeit und Kunststoffe
Nachhaltigkeit und Kunststoffe scheinen ein Widerspruch in sich zu sein, aber Tatsache ist, dass die meisten Kunststoffe heutzutage recycelbar sind, selbst wenn sie Zusatzstoffe enthalten. Dies liegt daran, dass Zusatzstoffe in der Regel keinen Einfluss auf die Recyclingfähigkeit von Kunststoffen haben. Auch wenn sie faserverstärkt sind, ist ein Recyceln grundsätzlich möglich, wenngleich die Auswirkungen auf das Rezyklat erheblich sind.
Die größte Herausforderung beim Recyceln von Kunststoffen ist die richtige Sortierung. Befindet sich zum Beispiel ein faserverstärkter Kunststoff mit einem nicht verstärkten Kunststoff in einem Gemisch, wirkt sich das auf das Recycling aus, da die Eigenschaften des Kunststoffs nicht mehr klassifiziert werden können und seine mechanischen Eigenschaften nicht erhalten bleiben.
Ein weitere Ansatz Kunststoffe nachhaltig einzusetzen ist die Fokussierung auf spezielle Materialien. Es gibt mittlerweile eine große Auswahl an Kunststoffen, welche z.B. aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt oder zu 100 % biologisch abbaubar (industriell kompostierbar) sind. Natürlich können die nachhaltigen Kunststoffe nicht immer einen klassischen Kunststoff vollständig ersetzen, jedoch stellen Sie oft eine Alternative dar.
Einen kompetenten Partner einbeziehen
Bei der Materialauswahl für die Maschinenentwicklung sollte Ihr Kunststoffpartner über die neuesten Zusatzstoffe und Änderungen informiert sein. Dies reduziert das Risiko, sich an unvorhergesehene Probleme anpassen zu müssen, und vermeidet kostspielige Fehler.
Damit Sie für Ihr Projekt die beste Materialauswahl treffen, beziehen Sie den kompetenten Partner frühstmöglich mit ein. Der Bereich der Kunststoffe ist äußerst komplex. Viele sind sich der riesigen Anzahl von verfügbaren Arten und des Potenzials nicht bewusst. Ein erfahrener Partner ermittelt Ihren Bedarf gezielt, bietet Ihnen die passgenaue Lösung oder empfiehlt eine Auswahl geeigneter Materialien.
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